Dyskalkulie

Was ist eine Dyskalkulie oder Rechenschwäche?

Eine Dyskalkulie oder Rechenschwäche äußert sich in ausgeprägten und anhaltenden Schwierigkeiten beim Erlernen des Rechnens. Rechenschwache Kinder können sich Anzahlen und Rechenvorgänge nicht vorstellen und merken. Sie erfassen die mathematischen Grundrechenarten, wie Plus- und Minus-, Mal- und Geteilt-Rechnen, nicht.
Für das Verständnis von Rechenstörungen oder Dyskalkulie ist wichtig, dass sie keine Folge mangelnder Konzentration oder fehlenden logischen Denkvermögens, auch nicht auf Dummheit oder Unwilligkeit der Kinder zurückzuführen sind.
Von Dyskalkulie sind schätzungsweise 4-6% der Schulkinder betroffen.

Auffälligkeiten

Im Vorschulalter fallen Kinder auf, weil sie:

Klötzchen nicht nach der Größe sortieren können
beim Sortieren nicht mehr als ein Merkmal berücksichtigen, z.B. nur nach Größe, nur nach Farbe oder nur nach Form vorgehen
die Größe von Gegenständen nicht einschätzen können
die Anzahl von Gegenständen nicht abschätzen können
die Menge von Gegenständen abhängig von deren räumlicher Anordnung wahrnehmen, d.h. fünf weit auseinanderliegende Äpfel sind mehr oder je nach Sichtweise weniger als fünf eng zusammenliegende Äpfel.

In den ersten Schulklassen zeigen sich beim Erlernen des Rechnens folgende Schwierigkeiten:

  1. Das Wissen über Zahlen und die Fähigkeit zu zählen sind eingeschränkt. Das Kind kommt aus der Reihe, zählt ein Element nicht oder doppelt. Es muss immer wieder von der Null starten. Es entstehen Fehler beim Vor- und besonders beim Rückwärtszählen.

  2. Mengen, auch kleine Anzahlen, können nicht mit einem Blick erfasst werden, sondern werden jeweils neu abgezählt.

  3. Kinder mit unsicherer Raum-Lage verwechseln Zahlen, die in ihrer Form ähnlich aussehen, z.B. 9 / 6; 3 / 8; 6 / 8; 5 / 6 oder lesen Zahlen in Aufgaben von rechts nach links.

  4. Das Stellenwertsystem wird nicht verstanden: Ob 32 oder 23 / 56 oder 65 / 19 oder 91 macht für die Kinder keinen Unterschied.

  5. Im Zehner-, Hunderter- und Tausenderbereich schreiben die Kinder die Zahlen in der Reihenfolge, in der sie sie sprechen: Sechsundachtzig wird geschrieben als 68, fünfhundertdrei als 5003, 868 als achthundert- sechsundachtzig.

  6. Kinder benötigen auffallend viel Zeit für Rechenoperationen. Weil ihnen ein Anzahlverständnis fehlt, können sie sich nicht von Zählhilfen (dem Rechnen mit Fingern, Steinen, Stiften) lösen. Dabei verrechnen sie sich häufig um 1 (16 -7 = 8, 5 + 3 = 7).

  7. Zunächst bereiten Zehner-, später Hunderter- und Tausender-übergänge große Probleme.

  8. Die unterschiedliche Bedeutung oder Wertigkeit der Null (mal als 'nichts', mal als Verzehnfachung) wird nicht erfasst beziehungsweise vertauscht.

  9. Kinder unterscheiden nicht zwischen Ordinal- und Kardinalzahlen. Sie verstehen nicht, dass eine Ordinalzahl (z.B. 'fünf') alle Zahlen bis zu dieser Zahl ein-, eine Kardinalzahl (z.B. der 'Fünfte') aber alle anderen Zahlen ausschließt.

  10. Der Wechsel der Rechenarten (plus und minus, mal und geteilt) führt zu Fehlern. Häufig rechnen Kinder nur plus oder nur minus, nur mal oder nur geteilt.

  11. Die Zerlegung von Zahlen wird nur mit erheblichem Aufwand gelernt, z.B. dass 9 in 5 und 4 zerlegt werden kann und sich der Rechenvorgang auch umkehren lässt (9 = 5+4; 9 = 4+5, 9–5 = 4; 9–4= 5).

  12. Mathematische Begriffe wie „mehr, dazu, weniger, weg“ werden falsch in mathematische Zeichen (+, -,) oder graphische Darstellungen umgewandelt.

  13. Textaufgaben können häufig nicht in Rechenwege übertragen werden und Rechenwege nicht in Textaufgaben. Das Kind rechnet nach einem „Schema“, ohne das „Was“ und „Warum“ zu verstehen.

  14. Beim Umgang mit Geld, Längenmaßen und Gewichten sind Kinder unsicher. Das Erlernen der Uhr stellt eine große Hürde dar.

  15. Im Sachunterricht wiederholen sich die Schwierigkeiten bei Tages-, Wochen- und Jahresabläufen, den Himmelsrichtungen, dem Thermometer und geschichtlichen Ereignissen. Viele Kinder können keine Karten lesen, sie orientieren sich nur schwer in Tabellen und vertauschen Spalten und Reihen.

Ursachen

Ähnlich wie bei der Legasthenie spielt die Gehirnentwicklung und -struktur eine Rolle, insbesondere der Einfluss von Erb- und Umweltfaktoren. Eine verzögerte oder ungenaue Wahrnehmung und Verarbeitung des Sehens und Hörens hat unmittelbare Folgen für das Rechnen. Wenn ein Kind Raum-Lage-Unsicherheiten aufweist, also nicht weiß, wo rechts und links, oben und unten sind, vorwärts und rückwärts nicht unterscheiden kann, lernt es das Rechnen unter erschwerten Bedingungen.
Mit Dyskalkulie gehen oft Aufmerksamkeits- und Konzentrationsprobleme einher. Unklar ist bisher, ob es sich bei diesen Phänomenen um eigentliche Ursachen oder um Folgeerscheinungen der Rechenschwäche handelt.

Konsequenzen

Ein Kind, das trotz allgemein guter Intelligenz und trotz Übens immer wieder Misserfolge in der Schule erlebt, kann je nach Persönlichkeit Schulängste, Lernhemmungen, aggressives oder depressives Verhalten entwickeln oder das Lernen ganz verweigern. Nicht selten zeigen sich psychosomatische Auffälligkeiten. Besonders vor Klassenarbeiten klagen Kinder über Kopf- und Bauchschmerzen, können morgens nichts essen oder müssen erbrechen, schlafen und träumen schlecht.

Therapie

Eine Dyskalkulie – Therapie muss an den individuellen Ausprägungen der Schwierigkeiten ansetzen:
Welche Fehler macht das Kind?
Wie geht es beim Rechnen vor?
Warum geht es so vor?

Das Kind muss in kleinen Schritten an die Zahlen und das Rechnen herangeführt werden.


  1. Als erstes wird der Zahlenraum bis 10 gesichert. Die Zahlen bis zehn werden zunächst an konkretem Material erfahr- und begreifbar gemacht und später so verinnerlicht, dass das Kind sie ohne konkrete Hilfen abrufen kann. Sie müssen zerlegt werden können (in zwei oder mehr Zahlen) z.B.:
    5 = 4 + 1 oder 1 + 4 oder 2 + 2 + 1. Die Zerlegungen der 6, 7, 8, 9 und 10 müssen so automatisiert sein, dass die Aufgaben nicht mehr durch Abzählen in Einerschritten gelöst werden. Die Umkehrbarkeit von Addition und Subtraktion wird durch intensives Üben gefestigt.

  2. Die besondere Schwierigkeit im Zahlenraum bis 100 liegt darin, dass die Einer zwar hinten stehen, aber beim Sprechen zuerst genannt werden. Die Kinder müssen also vom Zahl'wort' auf das Zahlen'symbol' umschalten lernen. Das Begreifen, dass 10 Einer zu einem Zehner gebündelt werden, ist ein wichtiger Schritt. Addition und Subtraktion im zweistelligen Zahlbereich, zunächst ohne und später mit Zehnerüberschreitung, werden geübt, ebenso das kleine 1 x 1.

  3. Erarbeiten des Zahlenraumes bis 1000: Auch bei dreistelligen Zahlen bereitet die Diskrepanz zwischen gesprochener und geschriebener Zahl erhebliche Schwierigkeiten, die überwunden sein müssen, bevor zur Addition und Subtraktion, Multiplikation und Division mit dreistelligen Zahlen übergegangen wird.

Für den individuellen Förderbedarf von rechenschwachen Kindern stelle ich passende Therapiemodule zusammen, die ich den Lernfortschritten anpasse.
Die Therapie orientiert sich an bewährten Förderkonzepten und bezieht pädagogisch sinnvolle Computer-Rechenlernprogramme ein. Darüber hinaus habe ich vielfältiges Anschauungs- und Spielmaterial zur Entwicklung des Zahlenbegriffs erstellt, das abwechslungsreiches und motivierendes Lernen ermöglicht.